16.09.2020
Damit Datenservices in Zukunft auf europäischen Standards beruhen, wurde das Projekt Gaia-X ins Leben gerufen. Welche Rolle die öCloud-Initiative dabei spielt, verriet Georg Krause im Interview mit FACTORY.
Mit dem deutschfranzösischen Cloud-Projekt Gaia-X treibt Europa den Kampf um die Rückeroberung der eigenen Daten voran. Durch Gaia-X wird ein Standard geschaffen, der den Datenzugriff vereinheitlicht, klare Sicherheits-, Transparenz- und Zugangsregeln gewährleistet und damit einen einheitlichen Zugriff auf Produktions- und Lieferdaten aller Teilnehmer der Lieferkette ermöglicht. In Österreich wird das Projekt durch die Initiative öCloud begleitet.
FACTORY: Herr Krause, Sie begleiten mit Ihrem Team die öCloud-Initiative. Was ist das Ziel der „öCloud“?
Georg Krause: Beispielsweise besteht heute bei der Datenintegration von Lieferketten, z. B. in der Zulieferindustrie, das Problem, dass die Hersteller unterschiedliche Standards und Cloud-Systeme für die Speicherung ihrer Produktionsdaten nutzen. Dadurch wird die Verknüpfung von Daten und daraus mögliche Prognosen sehr aufwendig, wenn nicht sogar unmöglich. Die Ursache dafür liegt in den hohen Anforderungen an Datensouveränität und im hohen Sicherheitsbedarf. Mit der öCloud-Initiative geht es um die Bereitstellung von Services in der Cloud auf der Grundlage einheitlicher europäischer Standards (Gaia-X). Nutzern und Anbietern von Daten soll das mehr Sicherheit und Vertrauen bieten und neue Formen der Zusammenarbeit ermöglichen.
Was verändert sich durch die Initiative?
Krause: Ein ganz besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf Datensouveränität der einzelnen Teilnehmer, sodass alle Unternehmen zu jedem Zeitpunkt „Herr“ der Daten bleiben. Dies ist eine der wesentlichsten Voraussetzungen für mittelständische Betriebe (nicht nur) in Österreich, um am immer globaler werdenden lokalen Markt, aber auch am europäischen bzw. internationalen Markt teilnehmen zu können.
Will Österreich nun den Hyperscalern, wie Amazon, Google oder Microsoft, Konkurrenz machen?
Krause: Es geht nicht um eine Konkurrenz zu den Hyperscalern, sondern um eine Zusammenarbeit auf der Grundlage dieser europäischen Standards. Im Falle eines „digitalen Lockdowns“, aus welchem Grund auch immer, soll die Tätigkeit der österreichischen und europäischen Unternehmen nicht gefährdet sein.
Aber wie kann das mit der öCloud erreicht werden?
Krause: Ziel ist nicht die Ablöse von US- oder asiatischer Infrastruktur, sondern vielmehr die Unabhängigkeit der Daten und Funktionen von der Infrastruktur, auf der diese ,,laufen". Mit der öCloud soll eine sichere Dateninfrastruktur aufgebaut werden, ein Regelwerk, das den Zugriff, die Speicherung, den Austausch und die Nutzung von Daten gemäß europäischer Standards, Gesetze und Normen ermöglicht. Die Bereitstellung dieser Dateninfrastruktur kann auf grundsätzlich jeder Hardware- bzw. Service-Infrastruktur erfolgen, sofern diese die definierten Anforderungen erfüllt. Es geht also darum, ein faires „level playing field“ mit den Hyperscalern zu erreichen, damit der Zugang für die verwendete Software in Europa sichergestellt werden kann.
Warum muss eine Cloud-Lösung unbedingt ein „europäisches Label“ haben?
Krause: Die berühmte Metapher, dass „Daten das Öl der Zukunft“ sind, drückt es sehr gut aus. Es geht um die Frage, wer durch den Zugriff auf die Daten Einfluss auf unsere Kaufentscheidungen, politische Entscheidungen und viele weitere Dimensionen unseres Lebens haben wird. Während der asiatische Raum tendenziell die Datenhoheit dem Staat zuschreibt, die USA diese eher den Unternehmen überlassen, strebt die EU die Datensouveränität an. Es soll das liberale und soziale europäische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem in der digitalen Welt fortgeführt und gegen oligo- und monopolistische Tendenzen in der digitalen Welt verteidigt werden. Es geht bei Gaia-X und öCloud um die Umsetzung der europäischen Werte durch Kontrolle über die eigenen Daten sowie um die souveräne Entscheidung, wer darauf zugreifen darf.
Warum braucht es eine eigene Initiative in Österreich?
Krause: Es ist wichtig, dass es einen europäischen Standard gibt, da wir nur als Wirtschaftsraum gemeinsam erfolgreich bei der Entwicklung dieses Weges sein können. Durch die öCloud-Initiative soll dieser europäische Standard rasch in Österreich umgesetzt werden. Österreich will hier gemeinsam mit Deutschland und Frankreich einer der Vorreiter sein und aufzeigen, wie die Umsetzung gelingen kann.
Was wäre aus Ihrer Sicht ein Erfolg für das österreichische Vorhaben?
Krause: Ein großer Erfolg wäre es, wenn es innerhalb eines Jahres gelänge, dass ein öCloud-Gütesiegel entwickelt wird, die ersten Unternehmen diese Standards erfüllen und das Gütesiegel erhalten. Und wenn Österreich dieses Thema auch international erfolgreich besetzt und zu den Vorreitern bei der Umsetzung des europäischen Gaia-X-Standards zählt.
Schwerpunkte bei der Umsetzung in Österreich im Rahmen der öCloud-Initiative des BMDW:
- Gütesiegel/Zertifikat: Jeder Anbieter, der seine Daten und Services im Rahmen der öCloud anbieten will, muss sich auf der Grundlage des Gaia-X-Frameworks zertifizieren lassen. Daher ist es notwendig, den österreichischen Unternehmen rasch diese Möglichkeit anzubieten.
- Technik/Architektur: Konkretisierung der erforderlichen Architekturen und Standards zur Umsetzung der Gaia-X-Prinzipien (z. B. zur selbstbestimmten Datennutzung oder zum transparenten Datenzugriff ohne Möglichkeit, dabei Daten abzuziehen).
- Anwendungsfälle/Use Cases: Nur durch konkrete erste Anwendungsfälle können Erfahrungen in der Umsetzung von Gaia-X gesammelt, der Nutzen evaluiert und Beispiele für die österreichische Wirtschaft entwickelt werden. Da Österreich eine stark mittelständische Wirtschaftsstruktur hat, sollen die Use Cases genau dort ansetzen.
- Mitwirkung am europäischen Standard: Die Erfahrungen aus der österreichischen Initiative sollen auch wieder zurückgespiegelt werden in die europäische Gaia-X Group, damit Erkenntnisse aus der Praxis in die Ausformulierung und Konkretisierung von Gaia-X Eingang finden.
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