Der Digitale Zwilling für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft
Entdecken Sie die Möglichkeiten des Digitalen Zwillings für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Durch die Verlängerung der Lebensdauer von Produkten und Ressourcen und deren Rückführung in den Kreislauf am End-of-Life tragen wir zur Abfallminimierung, dem Schutz von Ressourcen und der Reduzierung schädlicher Emissionen bei. Erfahren Sie, wie der Digitale Zwilling als digitale Grundlage eine immer nachhaltigere Wertschöpfung ermöglicht.
PET-Flaschen sind aus vielen Haushalten nicht mehr wegzudenken: Sie sind leicht, hygienisch und äußerst praktisch. Doch sie illustrieren auch eindrücklich die Herausforderungen einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.
Die Vision ist klar: Nach der Rückgabe sollen aus alten PET-Flaschen neue entstehen, um einen geschlossenen Wertstoffkreislauf zu schaffen. Doch dieses Ziel wird durch das Phänomen des „Downcyclings“ bedroht. Statt neuer Flaschen werden oft Produkte wie Textilien oder Reifen aus alten Plastikflaschen hergestellt. Eine erneute Verwendung für die Produktion von Lebensmittelbehältern ist dabei ausgeschlossen.
Für Hersteller bedeutet dies eine Verschlechterung ihrer Klimabilanz: Wenn kein recyceltes PET-Material verfügbar ist, müssen sie auf neues Material und entsprechende Ressourcen zurückgreifen. Dadurch steigt der CO₂-Fußabdruck im Vergleich zu einem geschlossenen Kreislauf von Flasche zu Flasche.
Kreislaufwirtschaft: Mehr als nur Recycling
Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Kreislaufwirtschaft weit über das einfache Recycling hinausgeht, indem sie Produktions- und Materialflüsse grundlegend verändert.
Anstatt Produkte am Ende ihrer Nutzungsdauer zu verwerfen oder herabzustufen, strebt die Kreislaufwirtschaft danach, Materialien möglichst lange zu nutzen und kontinuierlich in den Kreislauf zurückzuführen. Dies ist umweltfreundlicher, da bei der eigentlichen Wiederaufbereitung von Materialien und Komponenten oft weniger Energie benötigt wird als beim Recycling. Letzteres reduziert den Ressourcenverbrauch, minimiert Abfälle und senkt die Umweltbelastung.
Die Europäische Union hat die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft erkannt und sie im Rahmen des Green Deals der EU in der Taxonomie der Circular Economy adressiert, um die Klimawende voranzutreiben und den Rohstoffabbau zu reduzieren.
Die Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft verändert die Herstellungs- und Distributionsprozesse von Unternehmen grundlegend. Statt linearer Warenflüsse entstehen nun komplexe Prozesse, in denen Produkte zurückgenommen und wiederverwendet werden.
Wie kann Nachhaltigkeit bewertet werden?
Nachhaltiges Handeln in einer Kreislaufwirtschaft ist äußerst facettenreich. Um fundierte Entscheidungen zu treffen, sind klare und präzise Informationen unerlässlich. Die Technologie des Digitalen Zwillings erweist sich hierbei als äußerst nützlich, insbesondere wenn es um die Bewertung von Nachhaltigkeit geht. Dabei handelt es sich um eine präzise digitale 1:1 Nachbildung physischer Produkte über deren gesamten Lebenszyklus.
Dr. Wolfgang Bock und Dr. Stephan Melzer erörtern in Folge 2 des msg-Podcasts "radikal digital" die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten des Digitalen Zwillings und gehen der Frage nach, welche Potenziale sich insbesondere im Bereich des Klimamanagements und der Krisenprävention ergeben.
Blick auf die ganze Wertschöpfungskette
Der Digitale Zwilling bietet einen umfassenden Einblick in die gesamte Wertschöpfungskette. Er kann beispielsweise sämtliche während des Produktlebenszyklus anfallenden Emissionsdaten erfassen und verwalten: angefangen bei der Entwicklung über die verwendeten Rohstoffe und Materialien für die Produktion bis hin zur Distribution sowie Nutzung und schließlich Wiederverwertung in einer Kreislaufwirtschaft.
Innerhalb dieses Zyklus müssen alle Unternehmen der Lieferkette ihren Anteil des CO2-Fußabdrucks am Endprodukt ermitteln und zur Verfügung stellen, um den sogenannten Product Carbon Footprint (PCF) zu berechnen. Der PCF fällt geringer aus, wenn recycelte Materialien für die Produktion genutzt werden. Aufgrund zunehmender regulatorischer Anforderungen sind Unternehmen zudem verpflichtet, genau anzugeben, ob die in ihren Produkten verbauten Teile recycelbar sind. Auch hier kann der Digitale Zwilling präzise Informationen zum Verschleiß und zur Lebensdauer von Produkten liefern.
Der vernetzte Digitale Zwilling
Das Potenzial des Digitalen Zwillings ist enorm, doch seine volle Wirkung kann nur entfaltet werden, wenn er vernetzt und kooperativ genutzt wird. In einer Kreislaufwirtschaft ist es nicht mehr zielführend, in Datensilos zu denken. Alle erforderlichen Datenquellen müssen nahtlos, zweckorientiert und über sämtliche relevanten Bereiche hinweg integriert sein. Die Grundlage für den Erfolg des vernetzten Digitalen Zwillings ist die kontinuierliche Datendurchlässigkeit. Der Datenaustausch darf nicht einseitig erfolgen: Alle Unternehmen entlang der Lieferkette müssen Daten beitragen und empfangen können, um eine nachhaltigere Gestaltung ihrer Produkte zu ermöglichen.
Der Digitale Zwilling als Open-Source-Technologie
Für eine gemeinsame Nutzung des Digitalen Zwillings müssen die Daten vor allem einheitlich erfasst und verarbeitet werden. Ähnlich wie bei der Standardisierung der Container im Seetransport in den 1950er Jahren, die eine erheblich schnellere Beladung der Schiffe ermöglichte, ist nun eine branchenübergreifende Standardisierung von Daten erforderlich.
Asset Administration Shell
In der Fertigungsindustrie setzt sich die Industrial Digital Twin Association (IDTA) für die gemeinsame Entwicklung eines standardisierten Digitalen Zwillings auf Basis der Verwaltungsschale (englisch: Asset Administration Shell, kurz AAS) ein.
Das Ziel besteht darin, den Digitalen Zwilling für Komponenten, Maschinen und ganze Fabriken als Open-Source-Technologie zu etablieren. Durch offene Standards ermöglicht die AAS einen plattformübergreifenden Informationsaustausch zwischen verschiedenen Herstellern. Auf diese Weise leistet die AAS einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz und zur Förderung einer zukünftigen Kreislaufwirtschaft.
Die Grundlage einer effektiven Kreislaufwirtschaft
Wenn mehrere Unternehmen gemeinsam einen interoperablen Digitalen Zwilling nutzen und Daten standardisiert erfasst sind, während sichere Datenräume vorhanden sind, bildet dies die Grundlage für eine effektive Kreislaufwirtschaft. Diese innovative Herangehensweise steigert nicht nur die Effizienz, sondern leistet auch einen nachhaltigen Beitrag zum Umweltschutz. Ein gemeinsam genutzter, interoperabler Digitaler Zwilling legt somit den Grundstein für eine zukunftsweisende und umweltfreundliche Geschäftswelt.
Gemeinsam im virtuellen Datenraum
Die Technologie des Digitalen Zwillings erweist sich als besonders wertvoll, wenn sie von mehreren Unternehmen gemeinsam genutzt wird. Daher ist es von großer Bedeutung, dass alle beteiligten Partner an der Produktentwicklung Zugang zu einem virtuellen Datenraum haben. Diese Datenräume bieten eine sichere Infrastruktur für den Datenaustausch, in der die Partner unter Einhaltung der Datensouveränität zusammenarbeiten können.
Die Gaia-X-Initiative spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle, indem sie Datenökosysteme für verschiedene Branchen schafft. Im Automobilsektor konzentriert sich beispielsweise die Catena-X-Initiative darauf, Unternehmen der Automobilindustrie entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu vernetzen.