22.11.2022
Podiumsgespräch. Eine hochkarätig besetzte Runde, bestehend aus den Geschäftsführern Roland Ledinger (BRZ) und Georg Krause (msg Plaut), Christian Gesek (Leitung Rechtsinformatik, IKT, Justizministerium) sowie Eleonora Kernmayer-Farr (Senior Business Transformation Executive, Microsoft), Claudia Baur-Stark (Managing Director, Accenture) und Gernot Silvestri (Head of Consulting, adesso) fand sich Mitte Oktober im BRZ-Festsaal zu einem vom Report-Verlag initiierten Podiumsgespräch, moderiert von Martin Szelgrad (Report Verlag), ein.
Österreich weit vorne, aber Luft nach oben
Ob One-Stop- oder No-Stop-Shop – in Österreich sind zahlreiche Services des Staates bereits vollständig digital umgesetzt. Dennoch waren sich die Diskutierenden einig, dass es, wenn es etwa um Themen wie Usability oder eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern geht, noch Luft nach oben gibt. Wichtig dabei ist auch, jene bei modernen Bürger:innen-Services mitzunehmen, die über keinen Zugang zu Smartphone oder Computer verfügen.
Services mithilfe künstlicher Intelligenz
Als Hausherr eröffnete BRZ-Geschäftsführer Roland Ledinger die Diskussion. Das BRZ feiert heuer sein 25-jähriges Bestehen. In dieser Zeit entwickelte es sich zu einem verlässlichen Partner und Begleiter der digitalen Transformation der österreichischen Verwaltung. „Wir begleiten unsere Kunden oft von Beginn einer Idee an. Daraus werden dann innovative digitale Prozesse entwickelt, zum Teil auch mithilfe künstlicher Intelligenz, um damit wie beim Unternehmensserviceportal den Servicefokus auf die Unternehmen weiter zu stärken und auch Bürger:innen-Services wie FinanzOnline zu unterstützen. Weitere gute Beispiele dafür sind etwa die Anwendungen der Justiz oder der digitale Führerschein als jüngstes innovatives Projekt“, so Ledinger.
Gemeinsam Lösungen entwickeln
Auch Christian Gesek sieht als Leiter Rechtsinformatik, Informations- und Kommunikationstechnologie im Justizministerium die IT als Hebel zur Erneuerung. Die Pandemie hat dabei zusätzlich Auftrieb gegeben. „Die Pandemie war sicherlich auch in der Justiz ein Treiber, Skeptiker:innen zu überzeugen. Gemeinsam mit dem BRZ waren wir rasch in der Lage, unsere Mitarbeiter:innen auch remote bei ihrer Justizarbeit unterstützen zu können.“ Im Zentrum der Initiative Justiz 3.0 steht deshalb auch die Umsetzung einer vollständig digitalen Akten- und Verfahrensführung bei den österreichischen Gerichten und Staatsanwaltschaften. „Dazu koordinieren wir uns gezielt mit User-Gruppen und entwickeln Lösungen, die auf Know-how, Zusammenarbeit, Vertrauen und Handschlagqualität basieren. Denn es geht nicht darum, den Anwenderinnen und Anwendern fertige Werkzeuge vorzusetzen, sondern gemeinsam Lösungen zu entwickeln.“
Mit eAward prämierte Anwendung
Gesek freut sich auch über einen eAward in der Kategorie "Machine Learning und Künstliche Intelligenz“, den die Justiz gemeinsam mit dem BRZ Anfang Oktober bekommen hat. Aus- gezeichnet wurde eine innovative Anwendung von künstlicher Intelligenz zur automatisierten Anonymisierung von Gerichtsentscheidungen. „Es schlägt uns hier bereits auch großes Interesse außerhalb unserer Organisation für diese Lösung entgegen“, so Gesek.
ID Austria: Hervorragende Lösung
Auch Georg Krause (msg Plaut) ist überzeugt, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz wichtig ist, um bei Services und Lösungen im internationalen Vergleich nicht ins Hintertreffen zu geraten. „Eine Datenanonymisierung, wie es auch das Bundesministerium für Justiz in einem aktuellen Projekt erfolgreich zeigt, ist dann die Voraussetzung für den Einsatz für Machine Learning“, betont Krause. Die ID Austria hält er für eine gelungene Lösung. „Mit der ID Austria haben wir in Österreich eine hervorragende Lösung. Diesen Weg müssen wir konsequent fortsetzen. Wir könnten damit auch den Zugang zu den unterschiedlichen Services von Bundesländern und dem Bund, aber auch zwischen Ministerien auf einen gemeinsamen Nenner bringen.“
Flexible Arbeitsumgebung im BRZ
Für Eleonora Kernmayer-Farr (Microsoft) sind die Voraussetzungen für die Digitalisierung des Arbeitsplatzes und der Unternehmensprozesse in der Wirtschaft und in der Verwaltung immer noch sehr unterschiedlich. Der erste Pandemie-Lockdown machte deutlich, dass oft die Rahmenbedingungen für Flexibilität mit mobilen Endgeräten, Software und Anwendungen, die sicher auch aus dem Homeoffice genutzt werden können fehlen. „Das BRZ hatte damals bereits die Umgebung für den flexiblen Arbeitsplatz geschaffen und seinen Mitarbeiter:innen die gleichen Möglichkeiten geboten, die vielen Arbeitsplätzen in der Wirtschaft offenstanden“, spart Kernmayer-Farr nicht mit Lob.
Engere Kooperation gewünscht
Gernot Silvestri (adesso) wünscht sich eine engere Zusammenarbeit von IT-Branche und Verwaltung, um die Effizienz bei der Umsetzung von Lösungen zu erhöhen. „Wir sollten aufgrund des Fachkräftemangels darauf schauen, wie Kräfte für E-Government-Anwendungen gebündelt werden können. Keine Frage, für die IT-Dienstleister ist es sicherlich ein gutes Geschäft, wenn Fachanwendungen mehrfach entwickelt werden. In einer breiten Verwaltungs-Community dagegen, in der Länder und Gemein- den, Pflichten teilen und gemeinsame Ziele definieren, könnten Lösungen viel effizienter partnerschaftlich umgesetzt werden“, plädiert Silvestri.
Leuchtturmprojekte der Verwaltung
Claudia Baur-Stark (Accenture) erinnert sich an viele sehr gute Leuchtturmprojekte der Verwaltung in Österreich, wie den ersten No-Stop-Shop der antragslosen Familienbeihilfe, den Accenture gemeinsam mit dem BRZ umgesetzt hat. Dabei wird ab der Geburt eines Kindes die Familienbeihilfe automatisch ausgezahlt. „Accenture hat in kürzester Zeit gemeinsam mit dem BRZ auch eine Pre-Travel-Clearance für die Registrierung von Pendler:innen umgesetzt. Wir sehen derzeit viele gute Einzellösungen, die am Ende des Tages als One-Stop-Shop auf Plattformen wie oesterreich.gv.at gebündelt werden. Diese Verknüpfung von Daten und Prozessen ist sicherlich auch eine zentrale Herausforderung.“
Die Verwaltung als Datendrehscheibe
Abschließend erinnert Roland Ledinger daran, dass es bei den Services der öffentlichen Verwaltung oft nicht um eine hohe Frequenz in der Nutzung geht, sondern ums Gegenteil. „Mit dem One-Stop- oder No-Stop-Konzepten können die Berührungspunkte mit der Verwaltung weiter vereinfacht und sogar komplett automatisiert werden. Mit dem Once only-Prinzip haben wir gemeinsam mit dem Bundesministerium für Finanzen einen Register- und Systemverbund als Datendrehscheibe dafür entwickelt“, erklärt der BRZ-Geschäftsführer. „Damit müssen nicht die Bürger:innen oder Unternehmen Daten überall erneut einbringen, sondern die Behörden haben je nach Antrag die nötigen Informationen bereits zur Verfügung.“
V.l.n.r.: Georg Krause (msg Plaut), Roland Ledinger (BRZ-Geschäftsführer), Gernot Silvestri (adesso), Eleonora Kernmayer-Farr (Microsoft), Claudia Baur-Stark (Accenture), Christian Gesek (Justizministerium)
Erschienen im Magazin "read_it" des BRZ (03/2022)