08.04.2020
Die aktuelle Situation stellt uns alle in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft vor größte Herausforderungen und unsere Welt wird nach dieser Krise nicht mehr dieselbe sein wie zuvor. Aber was wird sich ändern und was kann das vor allem für die digitalen Themen bedeuten?
Rasante Umstellung auf Home-Office
Bereits nach nur wenigen Tagen des „Notbetriebs“ mit umfassenden Ausgangsbeschränkungen in Österreich sind Auswirkungen auf den Digitalisierungsgrad im Land spürbar. Die offensichtlichste Veränderung ist die nun von vielen Unternehmen durchgeführte Umstellung auf Home-Office, und zwar in einer Breite und Geschwindigkeit, die zuvor völlig unvorstellbar war.
Binnen weniger Tage wurden neue digitale Kommunikationstools implementiert und Hürden technischer oder organisatorischer Natur, die einen reibungslosen Arbeitsablauf verhindern könnten, überwunden. Mitarbeiter*innen wie auch die Führungskräfte erkennen, dass selbst eine spontane Reorganisation des Workflows über diesen Kanal möglich ist und dass man sich mit seinem Team und seinen Kunden auch digital abstimmen kann.
Die vergangenen Tage haben gezeigt, dass die Technologie vorhanden ist und das Netz weitgehend der hohen Belastung standhält. Dies wird auch über die Krise hinaus Verhaltensänderungen bewirken: Wir werden in Zukunft öfter kritisch prüfen, ob ein persönliches Treffen tatsächlich erforderlich ist, ob die Mitarbeiter*innen wirklich immer im Bürogebäude sitzen müssen und ob die Kundenberatung nicht doch auch teilweise digital möglich ist.
Österreich bei Digitalisierung noch im europäischen Mittelfeld
Der europäische Digitalisierungsindex DESI beurteilt die europäischen Länder hinsichtlich ihrer digitalen Performance und misst 34 Indikatoren in fünf Dimensionen. Deutschland und Österreich liegen aktuell im Mittelfeld und sind auf Platz 12 bzw. Platz 13 zu finden.
Der Ausbau der Telearbeit sowie die bereits nach nur wenigen Tagen feststellbare verstärkte Nutzung digitaler Ausbildungsmöglichkeiten wird zu positiven Effekten bei der digitalen Performance führen. Schulen und Universitäten mussten praktisch über Nacht alle Lerneinheiten in Form von Webinaren und Aufgaben sowie Prüfungen digital anbieten, aber auch Ausbildungsanbieter in der Wirtschaft, wie SAP, setzen verstärkt auf Online-Kurse und Zertifikate. Selbst im privaten Bereich gibt es digitale Trainingsangebote wie Online-Tanzunterricht per Video.
Online-Handel in jeder Branche
Ein weiterer bereits spürbarer Effekt ist die rasante Zunahme des Online-Handels. Im Lebensmitteleinzelhandel war der Online-Anteil in den letzten Jahren sehr gering, doch seit Beginn der Corona-Krise sind die Online-Bestellkapazitäten der großen Lebensmittelketten in Österreich nach nur wenigen Tagen komplett ausgebucht. Hier ist ebenfalls davon auszugehen, dass die Menschen die Convenience auch später schätzen werden, wenn sie die Einstiegsbarriere einmal überwunden haben.
Da nur noch Geschäfte mit Waren für den täglichen Bedarf geöffnet sein dürfen, können viele Produkte derzeit nur online bestellt werden. Aber auch umgekehrt besteht für lokale Händler und Produzenten die Notwendigkeit, ihre Waren online anzubieten, da sie ihre Kund*innen derzeit über den klassischen, „analogen“, Weg nicht mehr erreichen können.
Ein starker Boom ist im Konsum von Kultur über digitale Medien zu beobachten. So musste auch die Wiener Staatsoper ihre Pforten schließen, bietet aber derzeit ihr Streaming-Programm kostenfrei an. Kabarettist*innen zeigen täglich Ausschnitte aus ihren Programmen – möglicherweise entwickeln sich aus solchen zunächst aus der Krise geborenen Programmen neue Distributionsformen für die Kulturbetriebe. Und natürlich werden Netflix, Apple+ und andere Streaming-Dienste jetzt intensiv genutzt.
Digitalisierung des Gesundheitswesens
Letztlich wurden gerade auch in dem Bereich, der am stärksten vom Coronavirus betroffen ist, nämlich dem Gesundheitswesen, zahlreiche digitale Maßnahmen ergriffen und rasch umgesetzt. So wurde beispielsweise in Rekordzeit das eRezept eingeführt, um vor allem Patient*innen mit Dauermedikation vor dem Ansteckungsrisiko auf dem Weg in die Ordination oder auch im Wartezimmer zu schützen. Auch dürfen Beschäftigte telefonisch krankgeschrieben werden und müssen nicht extra dafür in die Arztpraxis kommen und die Beratung und Information rund um die COVID-19-Pandemie erfolgt maßgeblich über digitale Medien.
Die richtigen Lehren ziehen
Die digitale Transformation unserer Gesellschaft wird aufgrund der Corona-Krise wahrscheinlich stark an Bedeutung gewinnen. Gerade Länder wie Österreich und Deutschland, die in der Breite tendenziell zurückhaltend beim Ausprobieren und Umsetzen neuer Technologien sind, werden durch die derzeitige Situation geradezu zu einem Innovations-Push gezwungen. In Wirtschaft und Verwaltung lernen viele Mitarbeiter*innen und Führungskräfte derzeit situationsbedingt sehr rasch neue Technologien kennen und verlieren ihre Scheu diesen gegenüber.
Wir hätten uns alle einen anderen Anlass dafür gewünscht, doch wenn wir die richtigen Lehren aus dieser für alle schwierigen Situation ziehen, könnte uns dieser Lernprozess im internationalen digitalen Wettbewerb nachhaltig helfen.